Rückblick auf KROKIDS-Tagung 2025
Was brauchen chronisch kranke Kinder und Jugendliche im Schulsystem wirklich?
Diese Frage stand im Mittelpunkt der KROKIDS-Tagung 2025 unter dem Titel „Herausforderung für die Schule? Chronisch kranke Kinder und Jugendliche“, die am 26. Juni in Münster stattfand – und sie beschäftigt uns im Kindernetzwerk e.V. tagtäglich: als Eltern, als Betroffene und als starke Stimme für die Interessen chronisch kranker Kinder und Jugendlicher.
Rund vier Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leben mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma, ADHS oder Morbus Crohn. Für ihre Familien bedeutet das ein ständiges Navigieren zwischen medizinischen Anforderungen, schulischen Herausforderungen und dem Wunsch nach einem möglichst normalen Alltag. Viel zu häufig erleben Eltern, dass schulische Inklusion zwar politisch gewollt ist, im Alltag aber an Bürokratie, mangelndem Wissen oder schlichtweg fehlender Zeit scheitert – mit teilweise gravierenden Folgen.
Unsere Erfahrung im Kindernetzwerk zeigt: Viele Eltern wenden sich an unser Beratungsteam, wenn sie bereits zahlreiche eigene Lösungsversuche unternommen haben, aber im Schulsystem keine ausreichende Unterstützung finden. Die Themen sind vielfältig:
- Häufige Fehlzeiten: Eltern fragen, wie ihr Kind trotz Krankheit am Unterricht teilhaben kann – und gleichzeitig gesund werden darf.
- Nachteilsausgleich: Individuelle Lösungen sind gefragt, doch oft stoßen Familien auf starre Regelungen, die nicht ausreichen.
- Nichtversetzung und soziale Isolation: Wird ein Kind wegen längerer Krankheit nicht versetzt, droht zusätzlicher Verlust von Freundschaften und sozialem Halt.
- Mangelnde Rücksichtnahme: Immer wieder hören wir, dass gesundheitliche Bedürfnisse in Schulen ignoriert werden – manchmal mit Ablehnung oder gar Ausgrenzung.
Als Vorsitzende des Kindernetzwerks betont Susann Schrödel: „Chancengerechtigkeit für chronisch kranke Kinder ist kein Wunsch – sie ist ein Recht.“

Das Kindernetzwerk fordert deshalb:
- Weniger Bürokratie, mehr Wissen und Verständnis,
- echte Teilhabe und verbindliche Strukturen,
- und die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz.
Kinderrechte sind nicht verhandelbar. Sie müssen einklagbar und im Schulalltag verlässlich umgesetzt werden – unabhängig vom Gesundheitszustand eines Kindes.
Es braucht endlich klare Wiedereingliederungspfade, wie sie im Arbeitsleben längst Standard sind. Kein erkrankter Arbeitnehmer soll Versäumtes zusätzlich zur regulären Arbeit nachholen – aber genau das wird von Schüler:innen oft verlangt. Das ist weder gerecht noch gesund.
Die Vorträge und Diskussionen der KROKIDS-Tagung machten deutlich: Es braucht mehr als gute Absichten und Gesetzestexte. Schulen brauchen konkrete, strukturelle Unterstützung – etwa durch Schulgesundheitsfachkräfte, wie sie Dr. Gabriele Ellsäßer eindrucksvoll forderte.
Lehrer:innen müssen bereit sein zuzuhören – den betroffenen Kindern und ihren Eltern. Sie sind die Expert:innen für den Umgang mit der jeweiligen Erkrankung. Lehrkräfte müssen Bedingungen schaffen, die das Gesundwerden und Gesundbleiben ermöglichen. Sie brauchen Lösungen, um individuelle Förderung, soziale Teilhabe und Bildungsanspruch in Einklang zu bringen.
Und wir alle müssen voneinander lernen: Von Best-Practice-Beispielen, von Nachbarländern wie Österreich und der Schweiz – und vor allem von den Betroffenen selbst.
Inklusion ist vor allem eine Haltung. Das unterstrichen auch Frau Wenninghoff, Schulleiterin der Mathilde-Anneke-Gesamtschule Münster, und Frau Dr. Menninghaus, stellvertretende Schulleiterin der Montessori-Gesamtschule Sendenhorst.
Prof. Dr. Michael Frosch aus Datteln schilderte eindringlich, was Kinder mit chronischen Erkrankungen von Schule brauchen – nicht nur medizinisch, sondern auch emotional und sozial:
- Akzeptanz ihrer individuellen Situation
- Vertrauen und Ernstnehmen ihrer Bedürfnisse
- Verlässliche Kommunikation und klare Vereinbarungen
- Flexibilität bei Veränderungen
- Individuelle Leistungspläne und angepasste Bewertungskriterien
Die KROKIDS-Tagung war eine wertvolle Plattform für Austausch und Perspektivwechsel. Unser besonderer Dank gilt Prof. Dr. Klaus-Peter Zimmer und Prof. Dr. Annette Zimmer, die mit großem Engagement diesen Raum für Begegnung geschaffen haben – mit Betroffenen, engagierten Pädagog:innen und Expert:innen aus der Wissenschaft.
