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ThinkTank „Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz aus Perspektive der Selbsthilfe“ gestartetPressemitteilung "Nicht ohne uns!"

Junge im Rollstuhl lässt sich von Elektronik beim Tippen auf der Tastatur helfen.

Derzeit bereitet das Bundesfamilienministerium einen Reformprozess für ein inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz vor. Am 16. Mai hat das Kindernetzwerk e.V. (knw) daher die Selbsthilfeorganisationen von Familien, die mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen oder chronischer Erkrankung leben sowie die Junge Selbsthilfe zur Auftaktveranstaltung des ThinkTanks „Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz aus Perspektive der Selbsthilfe“ eingeladen. Die über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten, welche Bedeutung die zu erwartenden rechtlichen Änderungen für sie haben werden und wie sie ihre Themen in den Gesetzesentwicklungsprozess einbringen können. ImThinkTank, einem virtuellen Forum, können sich die Selbsthilfeorganisationen dazu austauschen, was aus ihrer Sicht bei der Gesetzesreform unbedingt beachtet werden muss, damit Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen künftig bestmöglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. 

„Der ThinkTank ist wie eine gemeinsame Reise in ein unbekanntes Land, zu der wir uns heute alle verabredet haben,“ beschreibt Susanne Schrödel, stellvertretende. Vorsitzende des Kindernetzwerks, das Vorhaben. „Politische Beteiligung ist nicht unser Tagesgeschäft als Familien, aber unser gemeinsames Ziel ist es etwas zu bewegen und die Perspektive von Familien mit chronisch kranken und behinderten Kindern in den Gesetzentwicklungsprozess einzubringen.“ Nach diesem Einstieg fasste die Rechtswissenschaftlerin Dr. Lydia Schönecker von SOCLES die komplizierte Sachlage rund um das Gesetzesreformvorhaben zusammen. Im Anschluss schilderte Kerstin Held, Vorsitzende des Bundesverbands behinderter Pflegekinder e.V. (BbP) aus ihrer Perspektive als Pflegemutter von Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen und teils schweren chronischen Erkrankungen, ihre Sicht auf die Entwicklungen rund um ein inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz. „Wir Familien wollen Inklusion und wir wollen, dass unsere Kinder in erster Linie als Kinder wahrgenommen werden“, sagt sie, „aber ein Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz kann nur dann gelingen, wenn auch die vielen Herausforderungen im Alltag von uns Familien gesehen werden. Der Gesetzgeber braucht unsere Geschichten, weil man die Lebenswirklichkeit der Familien noch nicht kennt.“ Bisher komme es oft zu Problemen, wenn Familien mit behinderten Kindern Unterstützung beantragen wollen, weil die Eingliederungshilfe bisher nicht auf die Lebensphase der Kindheit ausgerichtet ist, die Jugendhilfe aber noch nicht um die behinderungsbedingten Besonderheiten kindlichen Aufwachsens weiß.  
Dass die Perspektive der Betroffenen wichtig ist, bestätigte auch Dr. Heike Schmid-Obkirchner, Referatsgruppenleiterin für Kinderschutz und Kinderrechte aus dem Bundesfamilienministerium. Sie erläuterte den Beteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel: Wir gestalten die Inklusive Kinder- und Jugendhilfe!“ mit seinen aktuellen Diskussionssträngen. Dort beraten Expertinnen und Experten aus Bund, Ländern und Kommunen, Fachverbänden der Kinder- und Jugendhilfe, Behinderten- und Gesundheitshilfe, aus Forschung und Wissenschaft wie ein inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz ausgestaltet werden könnte. „Wir möchten die Lebenssituation von Kindern mit Behinderung und von ihren Familien verbessern, durch die Zusammenführung der Zuständigkeiten unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe“ sagt Schmid-Obkirchner. „Wir müssen ihre Geschichten kennen, und wir müssen wissen, wie ihre Lebenswirklichkeit ausschaut. Wir können nicht jeden Wunsch erfüllen, aber wir müssen wissen, wo der Schuh drückt, wo Hürden bestehen, wo Schwierigkeiten bestehen, weil wir ja die Situation verbessern wollen. Und dafür müssen wir ihre Situation kennen.“ Das Familienministerium hat daher einen Selbstvertretungsrat eingerichtet, der Vorschläge zur Beteiligung von Expertinnen und Experten in eigener Sache macht. Auch der ThinkTank ist eingeladen Stellung zu nehmen. Durch die Bündelung der Stimmen im Kindernetzwerk können die Familien aktiv auf den Beteiligungsprozess zur Gesetzgebung einwirken. 

Im zweiten Teil der Veranstaltung diskutierten die Teilnehmenden in vier Gruppen zu den Fragen, was sich für die Familien durch die Gesetzesreform verbessern soll, was bereits jetzt gut läuft und erhalten bleiben sollte, und was auf keinen Fall passieren darf. Es wurde auf die bestehende Diskrepanzen zwischen Gesetzesanspruch und Realität in der Lebenswirklichkeit der Familien verwiesen und auf die Heterogenität der Bedarfslagen aufmerksam gemacht. Beschrieben wurden auch unterschiedliche Teilhabebarrieren und Sorgen. Häufig genannte Themen waren der immense bürokratische Aufwand bei der Beantragung von Leistungen und der Wunsch nach einer Beteiligung der Familien als Expert:innen für die eigene Lebenswirklichkeit auf Augenhöhe. 

Der ThinkTank wird nun nach diesem gelungenen Auftakt seine weitere Arbeit aufnehmen und sich vertiefend mit den genannten Themen beschäftigen. Im Herbst werden die gesammelten Ergebnisse in einem Positionspapier veröffentlicht und an das Familienministerium übergeben. Melden Sie sich gerne noch beim Kindernetzwerk an, wenn Sie zum Betroffenenkreis gehören und mitdiskutieren möchten unter thinktank@kindernetzwerk.de.

Hier geht es zur Pressemitteilung als pdf...

Zu uns:
Das Kindernetzwerk vertritt als bundesweiter Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen rund 900 Selbstvertretungsorganisationen und Einzelmitglieder, darunter mehr als 150 Bundesverbände und rund 200.000 weitere angeschlossene Mitglieder. Das knw steht darüber hinaus mit vielen Dach-, Spitzen-, und Bundesverbänden der Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen im engen Austausch.

Kontakt:
Kathrin Jackel-Neusser
Geschäftsführerin knw
jackel@kindernetzwerk.de