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Einstellung und Beschäftigung auf dem (1). Arbeitsmarkt Fragen und Antworten

Bin ich eigentlich als Unternehmer zur Einstellung von (jungen) Menschen mit Behinderung verpflichtet?

Ja, ab einer bestimmten Größe eines Unternehmens gilt eine solche Verpflichtung zur Einstellung. Arbeitgeber, die über 20 Arbeitsplätze oder mehr verfügen, müssen nach einer gesetzlichen Bestimmung aus dem Sozialgesetzbuch IX mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen vorhalten. Bei einer freien oder frei werdenden Stelle muss ein Arbeitgeber, der ab 20 Mitarbeitern dieser Beschäftigungspflicht unterliegt, prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit – insbesondere bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldete – schwer behinderten Menschen, besetzt werden können.

Müssen für behindertengerechte Arbeitsplätze vom Arbeitgeber besondere Vorkehrungen getroffen werden?

Ja, in jedem Fall. Die Arbeitgeber müssen durch geeignete Maßnahmen (etwa der Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen oder der Arbeitsorganisation unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr) sicherstellen, dass schwerbehinderte Menschen einer möglichst dauerhaften behindertengerechten Beschäftigung im eigenen Betrieb nachgehen können. Dazu zählt auch die „bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens."

Gilt das in jedem Fall oder hängt das vom Grad der Einschränkung beim vorgesehenen Arbeitsplatz ab?

Nein das gilt nicht immer. Solche besonderen Vorkehrungen am Arbeitsplatz für einen schwerbehinderten Menschen können sehr aufwändig, aber auch weniger aufwändig sein. Zudem sagen Schwerbehinderungen oder auch leichtere Einschränkungen zunächst einmal nichts über die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz aus. Deshalb ist es besonders wichtig, den Arbeitsplatz auf den behinderten Arbeitnehmer zuzuschneiden. Ein Rollstuhlfahrer wird zum Beispiel bei einem Hausbau selbst kaum mit anpacken oder die Bauleitung übernehmen können, die die tägliche Präsenz am Bau erfordert. Er wird aber wie jeder andere vergleichbare Arbeitnehmer auch ein Haus planen oder dessen Statik im Büro berechnen können.

Was passiert, wenn die Arbeitgeber aber keine (Schwer)-Behinderten beschäftigen wollen. Können Sie sich davor erfolgreich drücken?

Nein, Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmern können das nicht. Sie müssen dann eine so genannte Ausgleichsabgabe zahlen. Eine erleichterte Sonderregelung gibt es nur für Unternehmen mit weniger als 40 Beschäftigten (Anstellung von nur einem schwerbehinderten Menschen) und mit bis zu 60 Arbeitsplätzen (Anstellung von 2 schwerbehinderten Menschen). Wird diese Quote nicht erfüllt und bei größeren Betrieben die fünf Prozent-Schwelle unterschritten, wird die Ausgleichsabgabe fällig.

Wie wird diese Abgabe genau berechnet?

Bei einer Beschäftigungsquote von 3 bis weniger als 5 Prozent fällt diese mit 125 € pro Monat noch recht niedrig aus. Wer allerdings nur eine Beschäftigungsquote von 2 bis weniger als 3 Prozent vorweisen kann, wird schon mit 220 € zur Kasse gebeten. Wer weniger als 2 Prozent Schwerbehinderte beschäftigt, muss bereits 320 € im Monat als Ausgleichsabgabe, die sowohl von Arbeitgebern der öffentlichen Hand wie auch von privaten Arbeitgebern entrichtet werden muss, aufbringen. Die von den Integrationsämtern erhobene Abgabe kommt letztlich wieder schwerbehinderten Menschen zugute, weil sie vorwiegend zur Förderung von Menschen mit Behinderung im Beruf und zur Förderung der Teilhabe verwendet wird. Siehe: https://www.integrationsaemter.de/Fachlexikon/Ausgleichsabgabe/77c350i1p/index.html

Wie hoch fällt diese Abgabe zum Beispiel bei einem Unternehmen mit 100 Arbeitsplätzen aus?

Ein solcher Betrieb muss 5 schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigen. Hat er aber tatsächlich nur 2 behinderte Arbeitskräfte eingestellt muss er für 3 nicht eingestellte Arbeitnehmer die Ausgleichsabgabe berappen. Das sind 36 Monate zu je 220 €, weil er nur eine Beschäftigungsquote schwerbehinderter Arbeitnehmer von 2 Prozent vorweisen kann. Das ergibt zusammen 7.920 €, die pro Jahr für diesen Betrieb als Ausgleichsabgabe anfallen.

Von wem werden schwerbehinderte Arbeitnehmer in einem Betrieb vertreten?

Unternehmen, die dauerhaft 5 oder mehr Arbeitnehmer mit Behinderung beschäftigen, müssen eine Schwerbehindertenvertretung wählen lassen und zwar im Abstand von 4 Jahren einen Vertrauensmann (-frau) und einen Stellvertreter. Dieser darf dann an allen Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen, Einsichten in Bewerbungsunterlagen nehmen und auch bei Vorstellungsgesprächen mit dabei sein und bei der geplanten Einstellung Schwerbehinderter sogar eine eigene Stellungnahme abgeben. Zudem ist er dann für die Eingliederung schwerbehinderter Arbeitnehmer zuständig, was zum Beispiel die Gestaltung des Arbeitsumfeldes, der Arbeitszeit und der Arbeitsplatzgestaltung explizit mit einbezieht. Dies muss in einer verbindlichen Integrationsvereinbarung geregelt sein. Siehe: https://www.integrationsaemter.de/Fachlexikon/Schwerbehindertenvertretung/77c345i1p/index.html

Wo kann ich mich am besten über die besonderen Leistungen zur Teilhabe für schwerbehinderte Arbeitnehmer informieren?

Da gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, die immer auch vom Einzelfall und in den Rahmenbedingungen in einer Region abhängen. Ansprechpartner gibt es zum Beispiel bei den Arbeitsagenturen (bei den Reha-Teams oder dem Arbeitgeberservice) oder auch bei den Integrationsämtern und Integrationsfachdiensten. Sehr hilfreiche Vermittlungen können auch – wie etwa in der Modellregion Bayerischer Untermain – die Handels- oder die Handwerkskammern anbieten, weil diese gut vernetz sind und häufig auch die geeigneten Sachbearbeiter bei einzelnen Kostenträgern kennen und so persönliche Verbindungen herstellen können. Siehe: https://www.integrationsaemter.de/Fachlexikon/Teilhabe-behinderter-Menschen/77c362i1p/index.html

Welche Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung können von Arbeitgebern bei Neueinstellungen konkret beantragt werden?

Für Fragen zum Eingliederungszuschuss für schwerbehinderte Menschen und zur behindertengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes sind die Agentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung und die Gesetzliche Unfallversicherung zuständig. Für einen Investitionskostenzuschuss das Integrationsamt (Antrag ist spätestens 6 Monate nach Aufnahme der Tätigkeit zu stellen) genauso wie für eine mögliche Einstellungsprämie.

Gelten bei den Arbeits- und Mehrarbeitsregelungen von Menschen mit Behinderung besondere Bestimmungen?

Schwerbehinderte Menschen können es ablehnen, mehr als 8 Stunden täglich (inklusive Bereitschaftsdienste) zu arbeiten. Die Freistellung von Mehrarbeit erfordert aber eine (schriftliche) Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Je nach Schwere der Behinderung kann der Arbeitnehmer aber auch einen Anspruch auf Teilzeit haben, wenn behinderungsbedingte Gründe hierfür vorliegen. Dies trifft in der Regel aber erst in Unternehmen mit mehr als 15 Arbeitnehmern zu. Die Arbeitszeit sollte aber wenigstens 18 Stunden in der Woche betragen, da nur dann der Arbeitsplatz als voller Pflichtplatz im Hinblick auf die Ausgleichsabgabe angerechnet wird. Nur bei sehr schwerwiegend behinderten Arbeitnehmern können in Ausnahmefällen auch noch kürzere Arbeitszeiten vereinbart werden.

Der Kündigungsschutz wird immer wieder als die entscheidende Barriere angesehen, Menschen mit einer Behinderung zu beschäftigen. Ist der besondere Kündigungsschutz wirklich so ein gravierender Hemmfaktor?

Diese Befürchtungen stimmen nur zum Teil. Zwar kann ein Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers tatsächlich nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn der Kündigungsgrund primär mit der Behinderung zusammenhängt. Der besondere Kündigungsschutz ist allerdings dann eingeschränkt, wenn der Kündigungsgrund nicht im Zusammenhang mit der anerkannten Behinderung steht. Weitgehend eingeschränkt ist der Ermessensspielraum des Integrationamtes auch bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder bei Betriebseinstellung oder auch bei wesentlicher Betriebseinschränkung.

Können Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen die Entscheidung des Integrationsamtes Widerspruch einlegen?

Ja,sowohl der Mitarbeiter wie auch der Arbeitgeber können bei aus ihrer Sicht zweifelhaften Ermessenentscheidungen des Integrationsamtes Klage bei einem Verwaltungsgericht einreichen.

Wann gilt der besondere Kündigungsschutz grundsätzlich nicht?

Das ist zum einen dann der Fall, wenn ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag zustande kommt oder die Kündigung vom schwerbehinderten Arbeitnehmer selbst ausgeht. Auch innerhalb der ersten 6 Monate des Beschäftigungsverhältnisses besteht kein besonderer Kündigungsschutz.


 

Insider-Tipps und Hinweise von Herrn Hamid, Handwerkskammer Aschaffenburg für Betroffene

Welche Ausbildungsberufe dürfen Menschen mit einer Behinderung erlernen?
Menschen mit Behinderung sollen ebenso wie Menschen ohne Behinderung grundsätzlich nach dem BBiG und der HwO in anerkannten Ausbildungsberufen in Betrieben ausgebildet werden.
Ist dies wegen Art und Schwere der Behinderung nicht möglich, erfolgt die Ausbildung nach besonderen Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung als Fachpraktiker bzw. Werker nach §§ 66 BBIG / 42m HwO (Handwerks-Ordnung).

Kommt eine Ausbildung in Teilzeit für Menschen mit Behinderung in Betracht?
In aller Regel ist eine Berufsausbildung eine Ausbildung in Vollzeit. Unter bestimmten Voraussetzungen können Auszubildende aber auch eine Teilzeitausbildung absolvieren, beispielsweise, wenn sie aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen oder Pflege von Familienangehörigen keiner Vollzeitausbildung nachgehen können. Gesetzlich geregelt ist die Teilzeitausbildung in §8 BBiG UND §27 HwO.  Weitere Informationen zur Teilzeitausbildung finden Sie hier ...

Gibt es Prüfungserleichterungen für Auszubildende mit Behinderung?
Damit Auszubildende mit Behinderung bei Prüfungen keinen Nachteil haben, können sie bei Bedarf verschiedene Prüfungserleichterungen (Nachteilausgleich) nach §65 BBiG/§42l HwO beantragen. Ihnen stehen z.B. die Zulassung von Hilfsmitteln oder die Inanspruchnahme von Hilfeleistungen Dritter (z. B. Gebärdendolmetscher für hörbehinderte Menschen), zur Verfügung. Diese Nachteilsausgleiche sind keine Vergünstigungen, sondern kompensieren behinderungsbedingte Benachteiligungen in der Prüfungssituation. Die Prüfungsanforderungen bleiben erhalten. Weitere Informationen zu Prüfungen sowie zum Nachteilausgleich bei Prüfungen ...

Welche Ausbildungsregelungen nach §42 m HwO/ §66 BBiG sind derzeit in Unterfranken gültig?
Für Menschen, für die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht in Betracht kommt, hat die Handwerkskammer für Unterfranken Ausbildungsregelungen entsprechend den Empfehlungen des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung getroffen.

Aktuell sind es 8 Ausbildungsregelegungen:

> Fachpraktiker/in für Holzverarbeitung
> Fachpraktiker/in für Metallbau
> Fachwerker/in im Maler und Lackiererhandwerk
> Gebäudereinigungsfachkraft
> Karosseriebearbeiter/in
> Fachpraktiker/in Fleischer
> Fachpraktiker/in Bäcker
> Fachpraktiker/in für Kraftfahrzeugmechatronik

> Hier geht es zu den genauen Ausbildungsregelungen ...


 

Tipps und Hinweise von Jutta Oster, AB jetzt inklusiv, Fachdienst für inklusive Arbeitsplätze der Lebenshilfe Werkstätten e.V. Schmerlenbach

Muss ich in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung angemeldet sein, wenn ich bei AB jetzt inklusiv beschäftigt werden will?
Ja, Sie müssen in einer der Werkstätten von der Lebenshilfe Werkstätten e.V. Schmerlenbach angemeldet sein. Das bedeutet, Sie müssen auch zum Personenkreis gehören, welcher in der Werkstätte aufgenommen werden kann.

Was ist wenn es am Arbeitsplatz nicht mehr klappt, sitze ich dann auf der Straße?
Sie haben immer und jeder Zeit das Recht in die Werkstätte zurück zu gehen. Wir suchen dann gemeinsam nach einer neuen passenden Arbeitsstelle.

Wie bekomme ich einen Arbeitsplatz außerhalb der Werkstätte?
Sie wenden sich an AB jetzt inklusiv und äußern Ihre Wünsche. Unterstützt von unserem Fachpersonal laden Sie z.B. Familienangehörige, Freunde, Bekannte, Nachbarn, oder Kollegen zu einer persönlichen Zukunftswerkstatt ein. Das ist ein Treffen bei dem Menschen zusammen kommen, die Sie bei Ihrer Suche unterstützen können. Diese „Unterstützer", unser Fachpersonal und Sie tragen die Ideen zusammen, wo Sie arbeiten könnten. Gemeinsam suchen wir dann nach einem geeigneten Arbeitsplatz.