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Gesetzliche Krankenversicherung müssen nicht immer aufkommenAuch tödliche Krankheit kein Freibrief für Alternativmethoden

Gerichtsstatue vor grünem Hintergrund.

Auch besonders schwer kranke Menschen können nicht immer nach der letzten medizinischen Hoffnung greifen. Ist diese mit besonders hohen Risiken verbunden, muss die gesetzliche Krankenversicherung nicht immer dafür aufkommen; eine palliative, auf Schmerzlinderung und Lebensqualität abzielende Behandlung kann dann Vorrang haben, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Im Streitfall litt eine Seniorin an einer chronischen Leukämie. Sie wurde am Universitätsklinikum Tübingen mit einer Stammzelltransplantation behandelt und starb 20 Tage später.
Das Landessozialgericht Stuttgart hatte die Krankenkasse noch verpflichtet, die Rechnung über knapp 117.000 Euro zu bezahlen. Es hatte auf den sogenannten Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 verwiesen, wonach die Krankenkassen bei lebensbedrohlichen Krankheiten auch nicht anerkannte Methoden bezahlen müssen, wenn diese „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf Heilung oder Linderung versprechen und eine anerkannte Alternative nicht besteht.
Doch auch bei lebensbedrohlichen Krankheiten leite sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ein Anspruch auf jegliche Behandlung ab, urteilte nun das BSG. Hier habe bei der Stammzelltransplantation ein Sterberisiko bei der Operation von 30 Prozent bestanden, zudem das Risiko eines tödlichen Rückfalls von 35 Prozent. Bei solch einer hohen Wahrscheinlichkeit des tödlichen Scheiterns hätte die Klinik auch palliative Alternativen in Erwägung ziehen müssen. Der sonst übliche Vorrang eines Heilungsversuchs bestehe ausnahmsweise nicht mehr, „wenn die palliative Behandlung einen zeitlich größeren Überlebensvorteil eröffnet“, urteilte das BSG. Über die Möglichkeiten und Risiken beider Wege müsse die Klinik auch umfassend aufklären.
Urteile des Bundessozialgerichts vom 8. Oktober 2019, Az.: B 1 KR 3/19 R