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Lea gibt AuskunftWie wirkt Selbsthilfe?

Ungenaue Werte bei Bluttest

 

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Suchst du eine Selbsthilfegruppe? Hier Leas Kontakt:

Lea Gericke

www.ana-dismissed.de
info@ana-dismissed.de

030 - 37 007 606
0172 - 16 50 115

Lea Gericke leitet eine Selbsthilfegruppe für Essstörungen (Anorexie, Bulimie, Orthorexie) in Berlin an, die sie im August 2018 gründete. Sie ist 30 Jahre alt, lebte fast ihr halbes Leben lang mit einer Magersucht, galt als austherapiert. Im Interview erzählt sie von Ihren Erfahrungen, den Stärken und Grenzen der Selbsthilfe.

Kindernetzwerk: Lea, Du leitest eine Selbsthilfegruppe für Essgestörte, wie sieht diese Gruppe aus?

Seit August 2018 gibt es regelmäßige Treffen jeden 1. und 3. Sonntag mit neun Betroffenen zwischen 20 und Mitte 30, die an Anorexie und Bulimie erkrankt sind. Man sagt, dass die Therapiefähigkeit erst mit einem BMI von 15 beginnt, aber ich fühle mich in der Verantwortung und mache diese Vorgabe nicht. Die Selbsthilfe ist offen für alle, es gibt niemanden, den ich abweisen würde.
Als ich die Gruppe gerade gegründet hatte, durfte noch jeder kommen und gehen wie er wollte, aber weil die Verletzlichkeit jedes Einzelnen einen sicheren Rahmen braucht, haben wir daraus jetzt eine feste Gruppe gemacht. Das ist wichtig und schult das Bewusstsein, dass jeder einzelne Teil des Ganzen und wertvolles Mitglied der Gruppe ist. Es gibt bereits eine Warteliste für eine weitere: Da es leider wenig Selbsthilfegruppen in diesem Bereich gibt, ist die Nachfrage wirklich groß.

Kindernetzwerk: Warum ist eine Selbsthilfegruppe zusätzlich zu den Therapieangeboten und professioneller Beratung sinnvoll?

Gruppentherapien werden von Fachleuten angeboten, die belesen und studiert, aber nicht betroffen sind. In der Selbsthilfe sitzen Betroffene Betroffenen gegenüber. Da sagt keiner: „So und so hat das jetzt hier abzulaufen..."

Mitglieder in der der Gruppe müssen sie sich nicht rechtfertigen, und sie werden verstanden, ohne sich erklären zu müssen. Viele der Themen fangen mit der Frage an: „Geht es euch auch so, dass ...?" Die Frage wird meist mit einem Nicken durch den Raumen beantwortet: „Ja, genauso!"

Ein großes Problem ist die Scham. Die Erkrankungen sind sehr schambehaftet, deswegen trauen sich die wenigsten etwas zu sagen. Aber wenn mal einer in der Gruppe loslässt, dann entsteht da so eine Dankbarkeit im Raum – das ist überwältigend, berührt mich und macht mich immer wieder unheimlich dankbar. Es ist ein sehr intensives Miteinander.

Kindernetzwerk: Wann sollte Selbsthilfe einsetzen?

Je früher man aktiv wird, desto größer ist die Chance die Erkrankung wieder komplett loslassen zu können. Je länger die Essstörung dauert, desto mehr wird sie ein Teil deiner Persönlichkeit – es gab für mich 10 Jahre lang nichts als meine Magersucht.

Du machst auch Angehörigenberatung, warum?

Partner, Eltern oder Geschwister sitzen bei mir und fragen, was sie tun können. Aber sie können die Betroffenen nicht aktiv heilen. Es hilft nicht, an dem Betroffenen herumzudoktern. Man kann die Angehörigen sensibilisieren, die Mechanismen dieser Krankheit aufzudecken. Auch die Familienstrukturen müssen angeschaut werden.
Aber die Angehörigen sind nicht Prellbock für die schlechte Laune, Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit des Betroffenen, sondern eben immer noch Partner, Geschwister oder Eltern. Da muss man Grenzen zeigen und auch leben. Beide Seiten müssen sich abgrenzen lernen und Abhängigkeit durchbrechen. Auch die Angehörigen für ihre Mechanismen zu sensibilisieren, ist Teil der Selbsthilfe.

Kindernetzwerk: Wo sind für dich Stärken und Grenzen in der Selbsthilfegruppe?

Selbsthilfe ersetzt nicht den Gang zum Arzt oder Therapeuten, das kann ich nicht leisten.
Außerdem kann die Selbsthilfe natürlich triggern. Es gibt Mädchen in der Gruppe, die sind dünner als andere – da spielt das Vergleichen dann ganz schnell wieder eine ganz große Rolle. Eine gewisse Krankheitseinsicht ist also unabdingbar, um von der Selbsthilfe profitieren zu können. Deswegen gibt es auch keine Kilokaloriendiskussionen bei uns. Wenn diese Diskussion im Vordergrund steht, ist die Selbsthilfegruppe noch nicht das richtige Medium.