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An den Systemgrenzen angekommenSchwerkranke und chronisch kranke Kinder und Jugendliche nicht vergessen!

Durch Gewalterfahrungen altern Kinder schneller

 

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16.04.2020:

Mit diesem Offenen Brief vom 09.04.2020 haben wir die aktuellen Probleme von Familien mit chronisch kranken Kindern/ Jugendlichen an Politik und Medien herangetragen:


 

Seit dem Shutdown bekommen wir von betroffenen Familien sowie von den Mitgliedsorganisationen unseres Netzwerks äußerst bedrückende Rückmeldungen. Egal, ob in Kinderhospizen oder in  Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen: Es gelten menschenunwürdige Regelungen. Erlaubt ist lediglich eine Stunde Besuchszeit am Tag bei zwei Metern Abstand. So führen die aktuellen Besuchsverbote zu psychischen Belastungen. Außerdem spitzt sich die Lage im Bereich der häuslichen Pflege von chronisch kranken Kindern, die Intensivpflege brauchen, zu. Sie benötigen für ihr Überleben zu Hause eine Vielzahl an Verbrauchs- und Einwegmaterial, wie beispielsweise Absaugkatheter. Teilweise bestehen bereits jetzt Engpässe und Nachschub kann teilweise nicht in Aussicht gestellt werden.

Aufgrund der Corona-Pandemie sind in den vergangenen Wochen viele Gesetze, Regelungen und Hilfen auf den Weg gebracht worden, wir vermissen jedoch die Berücksichtigung der speziellen Situation der chronisch kranken Kinder. Das Kindernetzwerk, der Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen, fordert deshalb eine stärkere Berücksichtigung dieser Risikogruppe.

Beispiel Material- und Medikamentenmangel

Der Fokus der Politik liegt zurzeit allein auf stationären Versorgungssettings, aber nicht auf der ambulanten (Weiter-)Betreuung von beatmeten, intensivpflege-bedürftigen und chronisch
kranken Kindern. „Es fehlt an Basis-Schutzausrüstungen sowie an der geeigneten Schutzausrüstung für die Versorgung von infizierten intensivpflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen (Kopfbedeckung, Schutzkittel, Schutzbrille, Einweghandschuhe, FFP2- bzw. FFP3-Masken). Die Pflegefachkräfte setzen bei ungenügenden Schutzmaßnahmen sowohl die versorgten Kinder als auch sich selbst einem enormen Infektionsrisiko aus. Im schlimmsten Fall können die schwerkranken Kinder nicht mehr zu Hause versorgt werden und müssen an die ohnehin schon an ihre Grenzen kommenden Krankenhäuser verwiesen werden.", so der Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e.V. (BHK).

Es kann nicht von allgemeinem Interesse sein, Kliniken zusätzlich mit jungen Patienten zu belasten, die auch häuslich versorgt werden könnten, wenn sie das nötige Material dafür bekämen. Es kann außerdem nicht sein, diese Risikogruppe einem stationären Aufenthalt auszusetzen, der oftmals gesundheitliche Rückschläge mit sich ziehen würde.

Daher fordern wir zusammen mit dem Elternselbsthilfenetzwerk INTENSIVKINDERzuhause e.V., die benötigten Materialleistungen zu garantieren und Leistungen der Verhinderungspflege kurzfristig zu erhöhen, sodass bereits eingewiesene, vertraute Personen, die den betroffenen Familien bereits vor der Krise im Rahmen der Verhinderungspflege geholfen haben, dies auch künftig noch sicher übernehmen können.

Die Versorgungsengpässe bei Medikamenten und Wirkstoffen (Antibiotika, Schmerzmittel usw.) stellen ein weiteres großes Problem dar, das durch die Lieferengpässe aus China und Indien gerade in Corona-Zeiten noch weiter verschärft werden könnte. Auch hier sei in Erinnerung gerufen, dass nicht nur die Krankenhäuser und Altenpflege Risikopatienten bergen, sondern auch chronisch kranke Kinder ebenso dringend auf die Medikamente angewiesen sind.

Psychologische Belastung und monetäre Dramen

Aus dem Netzwerk erreichen uns außerdem Stimmen, die von Corona bedingten Kündigungen berichten sowie weiteren speziellen Betreuungsnotlagen: Um z.B. in Pflegefamilien mit schwer beeinträchtigten Kindern den kompletten Ausfall einer Pflegekraft/eines Pflegeteams zu überbrücken, könnten behelfsweise auch allgemeine häusliche Assistenten angestellt werden, die den Haushalt und die Geschwisterbetreuung mit Schulaufgaben übernehmen, sodass die Eltern die Behandlungspflege des kranken Kindes übernehmen könnten. Hier muss die Politik nachjustieren und entsprechende Mittel bereitstellen.

Für diese sowieso schon belastete Gruppe fordern wir deshalb monetäre Soforthilfen wie für Kleinstunternehmer, Solo-Selbstständige und Freiberufler, die bereits ausgezahlt wurden, sowie psychologische Betreuungsangebote.

Schutzmaßnahmen angleichen

Auch nach Beendigung der Corona bedingten Maßnahmen und vor allem nach Lockerung der Kontaktbeschränkungen gilt es, chronisch kranke Kinder zu schützen und als Risikogruppe gleichzusetzen mit der älteren Generation.

Dazu zählen aus medizinischer Sicht vor allem Kinder mit Herzerkrankungen oder neurologischen Erkrankungen und Betroffene mit Mehrfachbehinderungen, die schwere Schluck- und Atemstörungen aufgrund einer „vorgeschädigten" Lunge aufweisen und oftmals multiresistente Keime tragen. Das gleiche gilt für die Gruppe chronisch kranker Kinder und Jugendlicher, die immunsuppressiv behandelt werden. Hierzu zählen junge Menschen mit onkologischen Erkrankungen, transplantierte Kinder, Kinder mit Tuberöser Sklerose, wenn diese mit Kortison oder Everolimus behandelt werden oder Morbus-Crohn unter z.B. Infliximab oder Kortisontherapie. Für diese Risikogruppe müssen auch nach der Ausgangssperre einheitliche Schutzvorkehrungen getroffen werden, wie beispielsweise die Lockerung der Schulpflicht: Chronisch kranke Kinder und ggf. auch ihre Geschwisterkinder sollten je nach Schwere der Krankheit im Homeschooling weiterbeschult werden dürfen, bis auch für sie ein Schutz durch Impfung gegeben ist.

Das Kindernetzwerk ist seit über 25 Jahren krankheitsübergreifendes Sprachrohr von über 200 verschiedenartiger Selbsthilfegruppen und -verbände. Wieder einmal müssen wir feststellen, dass die Risikogruppe der chronisch kranken Kinder nicht berücksichtig wird. Das Gebot der Stunde lautet aber, Risikogruppen vor Corona zu schützen - medizinisch, gesellschaftlich, finanziell. Wir fordern eine Nachjustierung bestehender Maßnahmen mit Blick auf die von uns vertretene Risikogruppe.

Wir fordern, die chronisch kranken Kinder mit allen anderen Risikogruppen gleichzusetzen und die Maßnahmen hierfür anzupassen.

Das Kindernetzwerk ist der Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen. Der Verein vertritt als bundesweite Plattform der Selbsthilfe rund 230 Mitgliedsorganisationen, darunter mehr als 150 Bundesverbände und rund 200.000 angeschlossene Mitglieder. Seit 1993 bietet das Kindernetzwerk vielfältige weiterführende Hilfen an. Unser kostenloses Angebot will bestmöglich und rundum helfen - ob durch telefonische Beratung, Elternkontakte, digitale Selbsthilfeangebote, (Online-) Seminare oder strategische Öffentlichkeits- und politische Lobby-Arbeit.

Wir leisten einen zukunftsträchtigen Beitrag für die Selbsthilfe, indem beispielsweise durch unser Netzwerk weitere Gruppen gegründet werden.

Kontakt:
Kindernetzwerk e.V., Geschäftsführerin Margit Golfels, Schiffbauerdamm 19, 10117 Berlin, 030-25765962, golfels@kindernetzwerk.de