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Fehlbildungsglossar

Angeborene Fehlbildungen

Definitionen: Von einer angeborenen (congenitalen) Fehlbildung oder Missbildung (Dysgenesie, Malformation) spricht man, wenn es während der Schwangerschaft (pränatal) durch Anlagefehler zu Formabweichungen von Organen oder Körperteilen bei sonst normalen Geweben gekommen ist. Als große Fehlbildungen (engl. major anomalies) werden Anomalien bezeichnet, welche die Lebensfähigkeit beeinträchtigen, zu Funktionsstörungen führen oder starke kosmetische Auswirkungen haben und deshalb sobald als möglich behandelt werden müssen. Kleine Fehlbildungen (minor anomalies) sind häufig, sie kommen bei jedem zweiten Kind vor und haben meist keine Auswirkungen bzw. werden nur selten als störend empfunden. Beobachtet man mehr als 2-3 solcher Auffälligkeiten, kann dies ein Hinweis auf eine Entwicklungsstörung bzw. auf größere Anomalien sein. Bei einer bestimmten Kombination verschiedener kleiner und großer Fehlbildungen spricht man von einem Fehlbildungssyndrom. Dysplasien sind Organveränderungen, die durch fehlerhafte Organisation und/oder Funktion von Geweben oder Gewebsbestandteilen zustande kommen. Kombinierte Anomalien (multiple Defekte) entstehen auch, wenn ein "Entwicklungsfeld" betroffen ist (z. B. Neuralrohrdefekte) oder wenn es zu einer abnormen Abfolge (Sequenz) im Entwicklungsverlauf mit sekundären Störungen kommt (z. B. Potter-Sequenz).

Häufigkeit: Bei etwa 5% aller in Deutschland geborenen Kinder werden angeborene Fehlbildungen festgestellt. Ein Drittel davon ist so schwerwiegend, dass die Kinder noch im Geburtsmonat operiert werden müssen. Unter 10 000 neugeborenen Kindern haben 65 einen Herzfehler, 13 eine Hypospadie, jeweils 9 eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder einen Klumpfuß. Seltener sind abnorme Ausbildung der Extremitäten (Dysmelie), Spina bifida sowie Verschluss (Atresie) von Enddarm und Speiseröhre. Ein Viertel der Todesfälle bei Kindern hat einen Zusammenhang mit angeborenen Malformationen, sie sind die zweithäufigste Ursache der Säuglingssterblichkeit. Kinder mit großen Fehlbildungen umfassen etwa ein Drittel aller Patienten, die in Kinderkliniken stationär aufgenommen werden, sie benötigen oft lebenslang eine intensive medizinische und psychosoziale Betreuung.

Ursachen: Angeborene Fehlbildungen können genetisch bedingt sein (Folge von Genmutationen oder Chromosomenaberrationen), sie werden aber auch durch äußere Einflüsse (toxisch wirkende Stoffe, Vitaminmangel, Infektionskrankheiten der Mutter, radioaktive Strahlung) oder multifaktoriell verursacht (Zusammenwirken genetischer und exogener Faktoren). Durch die Contergan-Katastrophe (Thalidomidembryopathie) von 1958 bis 1962 wurde deutlich, dass auch Medikamente die embryonale Entwicklung stören können. Unter den chronischen Erkrankungen der Mutter sind Epilepsie oder Diabetes mellitus sowie Alkoholkonsum während der Schwangerschaft bedeutsam. Vielfach (bis zu 60%) kann bei angeborenen Anomalien keine eindeutige Ursache gefunden bzw. mit den derzeit verfügbaren Methoden nachgewiesen werden

Ursache Prozent (%)
Unbekannt 60%
Polygen-multifaktoriell 20%
Monogen (erblich) 7 -10%
Chromosomenaberrationen 5%
Mütterliche Erkrankungen 5%
Kongenitale Infektionen 2%
Alkohol, Drogen, Medikamente, 1,5%
ionisierende Strahlung

Primäre Fehlbildungen Sie treten auf, wenn die Anlage für ein Organ oder für mehrere Organe bzw. Gewebe von Beginn an gestört ist. Dies hat meist genetische Ursachen, z.B. Genmutationen oder (meist nicht erbliche) Chromosomenaberrationen, kann aber auch Folge einer exogenen Schädigung sein.
Sekundäre FehlbildungenNach zunächst normaler Anlage und Entwicklung werden Wachstumsprozesse durch eine während der Schwangerschaft einwirkende (exogene) Schädigung beeinträchtigt. Es kommt zu Verformung oder Verlagerung (Deformität) bzw. zur Disruption (Defekte eines sich zunächst normal entwickelnden Organs, Organ- oder Körperteils), auch zu Degeneration bzw. Deterioration (vorzeitige Abbauvorgänge).